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Am 20.04.2007 um 18.00 Uhr Eröffnung der Ausstellung von Egon Moroder Rusina

"Samsara - Niflheim" "Die gelbe Leere"

"Samsara - Niflheim"
"Samsara - Niflheim"

Programm:

Grußworte

› Dr. Bruno Hosp, Präsident der Südtiroler Landesmuseen

› Dr. Florian Mussner, Landesrat für die Ladinische Kultur

› Dr. Rudi Gamper, Ehemaliger Verantwortlicher Koordinator des Senders Bozen der RAI

› Einführung der Kunsthistorikerin Dr. Margit Strobl

› Grußworte vom Künstler Egon Moroder Rusina

› Musikalische Umrahmung: Patrizia Rifesser, Judith Piccolruaz

„Samsara – Niflheim“ (Farbkombination 1)

„Samsara“ ist ein altindischer Begriff und bedeutet „Seelenwanderung“. Das Umherwandern der Seele von einem Wesen zum anderen. Es heißt nach Jagnavalkya (Mythische Gestalt der Brahmanen) „... so auch diese Seele, nachdem sie den Leib abgeschüttelt und das Nichtwissen losgelassen hat, so schafft sie sich eine andere, neue schönere Gestalt ...“ Das deutsche Wort „Seele“ stammt aus dem Althochdeutschen „Sela“, was so gut wie „vom See“ bedeutet, in dem man die Seele vor der Geburt vermutete. Nach altgermanischer Vorstellung wohnten die Seelen der Ungeborenen und Toten im See. Ein Ort der Stille. Ein Ort, der den Lebenden die Wahrnehmung des unendlichen Raumes und des gestaltlosen Urgeistes ermöglicht. Im unendlichen leeren Raum wandert die Seele, wie ein Streiflicht in der Dunkelheit, zu ihrem zeit-, form- und bewegungslosen Beweger. In meiner Farbforschung interessiert mich nicht das eine oder das andere Wesen des Reinkarnationsprozesses, sondern der leere Raum, in dem sich die Seelenwanderung abspielt. Kurz gesagt das „Nichts“. Ein Bahnhof. Man wartet am Bahnhof. Man denkt und kommt von einer bekannten Welt und man denkt und geht in eine unbekannte Welt. Der Bahnhof selbst ist, trotz seines bunten, lebhaften, virtuellen Seins, nichts: das „Nichts“. Ich fühle mich am Bahnhof und warte. Alles Gegenständliche ist mir zuwider. Selbst das Licht möchte ich einschränken. Mich interessieren weder ewige Seelen noch Himmel und Hölle. Was wäre also zu gewinnen? Das „Nichts“. Wieso muss es unbedingt eine andere Welt , ein anderes Wesen und Leben nach dem eigenen Tod geben? Es dreht sich ja doch nur alles um zusammengesetzte Erscheinungen. Das „Nichts“ kann man nur durch Einfühlung und Versenkung begreifen. Und „Nichts“ kann man nur durch „Stille“ wahrnehmen. Wir Menschen sind gerade heutzutage an die Welt der Form und des Überflusses gebunden worden und je mehr wir uns an die Welt der Form festhalten, desto weniger erkennen wir die Bedeutung der Stille. Die Welt der Form ist zu laut, um dass wir innerlich still werden. Stille außen, Stille innen; und wir sind im vollkommenen „Nichts“. Stille und Raum sind einerlei. Sie sind die endlose kreative Gebärmutter des Ganzen. „Niflheim“ (Nebelwelt) ist im nordgermanischen Mythos die vom Nebel umhüllte Unterwelt, die die Toten empfängt. Das Heim der Seelen. Also wiederum eine „Nichts“ Vorstellung. Nichts ist sicht- und erkennbar. Alles löst sich im Nebel auf; es gibt keine Wirklichkeit. Kein Körper, kein Laut, kein Hoch und kein Nieder. Jede Gestalt schwindet in der blauschwarzen Dämmerung des Seins und es bleibt nur Wahrheit. Vielleicht auch sie nicht. Aber so gibt es trotzdem eine und zwar die Wahrheit, dass es keine Wahrheit  gibt. Aus dieser Überlegung richte ich an meine Bilder die Gretchenfrage, ob sie wahr oder nur ein Trugbild sind.

„Die gelbe Leere“ (Farbkombination 2)

 

Wenn der Begriff „Chaos“ im altgriechischen Schöpfungsmythos auf den unendlichen leeren Raum und auf die gestaltlose Urmasse hindeutet, so könnte ich mir auch eine gestaltlose Urfarbe des unendlichen leeren Raumes vorstellen. Meine Empfindung für diese Urfarbe ist gelb. Gelb, das weder rötlich noch grünlich ist. Kein Zitronengelb und kein Goldgelb. Neutral. Weder warm noch kalt. Kein Leid, keine Lust, keine Liebe und kein Hass. Nur hell, transparent, körperlos, nichts. Andere Urfarben, wie rot und blau, erzeugen in unseren Sinneswahrnehmungen Gefühle und Erinnerungen (Blut-Erde, Himmel-Meer). Sie schaffen Gegenstände im leeren Raum, somit sind rot und blau Körperfarben. Sie geben uns die Illusion der Dinge und nicht die Essenz des Raumes. Sie treiben ihr Spiel, um uns zu täuschen. Sie benützen auch, sogar das reine Gelb, um das Farbspektrum zu ergänzen und so entsteht das irreführende Kunstwerk. Die Täuschung durch die Wirkung eines Kunstwerks, das nur Darstellung als Wirklichkeit erleben lässt. Die Urfarbe Gelb ist daher, für meine subjektive Wahrnehmung, der Inbegriff der Leere. Erreicht aber das Gelb durch die Beimengung eines anderen Farbtons eine Tendenz zum Rötlichen (warm) oder zum Grünlichen (kalt), so wirkt es gegenständlich, und verliert dabei die Wesenheit der gestaltlosen Urmasse, also der Leere. Leider bemerkt man in meiner letzteren Farbvorstellung des Zyklusses „Die gelbe Leere“, diese wie oben beschriebene, dekadente Entwicklung des Gelbes, und der Begriff des „Nichts“ geht verloren. ch bin noch Sklave meines physischen Malgenusses, der in dauernder Herausforderung meiner seelischen Wahrnehmung gegenübersteht. Ich fühle die „gelbe Leere“, aber mein Körper und meine Vernunft nehmen sie nicht so einfach hin und wehren sich dagegen. Es entstehen Kompromisse und die Wahrnehmung des „Nichts“ (Kunst) schwindet. Man kann über „Nichts“ keine Doktorarbeit schreiben und auch kein Bild malen. Man soll über das Unmanifeste nicht Fragen stellen. Der Verstand versucht aus „Nichts“ etwas zu machen; sobald er das tut, hat er es verpasst. „Nichts“ oder „Leere“ kann man nur wahrnehmen. Jeder achtet auf die Dinge im Raum, aber wer achtet schon auf den Raum selbst? Selbst augenscheinlich feste Materie besteht fast zu hundert Prozent aus leerem Raum. Buddhisten haben das schon seit zweieinhalbtausend Jahren gewusst: “Die Essenz aller Dinge ist Leere“. Ich empfinde die Leere als gelb. Ergo „Gelb ist Leere und Leere ist gelb“ Interpretiere ich aber das gelbe Unmanifeste, wie in meiner Arbeit, so zerstöre ich zur selben Zeit meine Wahrnehmung der Leere, meine Beziehung zum „Nichts“. Ist all meine Arbeit dann sinnlos? Wahrscheinlich. Aber genau wie man den leeren Raum nur durch die Objekte wahrnehmen kann, die in ihm sind, so brauche ich gelb um das Unmanifeste zu erkennen. Wie Buddha sagte „Gäbe es keine Illusion, so gäbe es auch keine Erleuchtung“.

Texte: Egon Moroder Rusina