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Immaterielles Kulturerbe sichern: Interreg-Projekt "E.CH.I" vorgestellt

Rituale, Bräuche, Feste, Tänze oder alte Bauernweisheiten dokumentieren und bekannt machen, das will das italienisch-schweizerische Interreg-Projekt E.CH.I.. Das besondere Augenmerk gilt dabei dem immateriellen Kulturerbe Grödens.

Krampusse bei der Nikolausnacht
Krampusse bei der Nikolausnacht
 
 
Kulturlandesrätin Sabina Kasslatter Mur hat das Projekt gemeinsam mit den Projetkverantwortlichen am Mittwoch den 13. März in Bozen vorgestellt.
 
Der Blättermarkt in St. Ulrich und die mit ihm verbundene Tradition, geschmückte Birnen zu verschenken, früher vom Bauern an die Mägde, heute von Männern an Frauen: Das ist einer der Bräuche, die über das Interreg-IV-Projekt E.CH.I. beschreiben und dokumentiert wird. Die Sicherung, Dokumentation und Bekanntmachung des immateriellen Kulturerbes in den grenzüberschreitenden italienisch-schweizerischen Gebieten steht im Mittelpunkt des Projekts E.CH.I. (Etnografie italo-svizzere. Progetto per la valorizzazione del patrimonio immateriale dell’area transfrontaliera italo-svizzera/Italienische und Schweizer Ethnografie. Projekt zur Aufwertung des immateriellen Kulturerbes des grenzüberschreitenden italienisch-schweizerischen Gebiets), an dem neben Südtirol auch die Regionen Lombardei, Aostatal und Piemont sowie die Schweizer Kantone Wallis, Tessin und Graubünden mitarbeiten. "Es ist besonders im Kulturbereich wichtig, nicht nur Nabelschau zu betreiben, sondern sich über die Grenzen hinweg auszutauschen", erklärte bei der heutigen Vorstellung die für Kultur und Museen zuständige Landesrätin Sabina Kasslatter Mur.

Südtirol beteiligt sich über das Museum Ladin Ćiastel de Tor in Sankt Martin in Thurn am Projekt. Beschlossen wurde, die Dokumentation der immateriellen Kulturgüter auf Gröden zu konzentrieren. Mit dem Unterfangen wurde der ladinische Ethnologe und Sozial- und Kulturantropologe Emanuel Valentin beauftragt. "Ich freue mich besonders darüber, dass Gröden Forschungsgebiet ist, nicht nur weil ich dort meine familiären Wurzeln habe, sondern weil das Tal einerseits große Kulturschätze birgt, sich andererseits in den vergangenen Jahrzehnten immens verändert hat: vom Auswanderungsgebiet zur Tourismushochburg", so die Landesrätin.

Gerade diese Entwicklung der Alltagskultur wird nun erforscht, dokumentiert und kommuniziert. Die Dokumentationsarbeit wurde 2010 aufgenommen. Dabei wurden alte Grödner Rituale, Bräuche, Feste und Tänze sowie alte Bauernweisheiten und andere ethnografische Kuriositäten unter die Lupe genommen. "Besonders wertvoll waren für unsere Forschungsarbeit die rund hundert Interviews, welche die Grödner Oswald Rifesser und Georg Dellago seit den 1980er Jahren mit vornehmlich älteren Zeitzeugen aus Gröden aufgenommen hatten. Sie wurden vom Museum Ladin erworbenen und nun digitalisiert", so Emanuel Valentin über die ersten Arbeitsschritte. Die Interviews wurden  im Online-Katalog der Kulturgüter in Südtirol (www.provinz.bz.it/katalog-kulturgueter) inventarisiert und werden vom Musuem Ladin auf Nachfrage für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt. Die mündlichen Zeugnisse bilden die Grundlage für die zweite Arbeitsphase, die Feldforschung: Ausgehend vom direkten Kontakt mit den Zeitzeugen wurden Fotos, Audio-Material und mehrere fünfminütige Kurzfilme realisiert. Das Museum Ladin wird im Laufe des Jahres eine Multimedia-Station einrichten, um die Kurzfilme zu zeigen. Zudem ruft der Direktor des Ladinischen Museums, Stefan Planker, die Bevölkerung zur Mitarbeit auf: Wer interessante Bilder, Erinnerungen, Kurzfilme besitzt und diese zur Verfügung stellen möchte, sollte sich mit dem Museum in Verbindung setzen (Tel. 0474 524020).

Die gesamte Projekt-Dokumentation (also nicht nur die in Gröden realisierte) wird nach Abschluss des Projekts im Internet zugänglich sein. Am Projekt beteiligen sich zudem  vier italienische Autoren (Enrico Camanni, Marco A. Ferrari, Elena Stancanelli und Michela Murgia). Seit vergangenem Februar und noch bis Mai sind sie in den Partnerländern unterwegs, also auch in Gröden, um mit Zeitzeugen zu sprechen und ihre Eindrücke zu Papier bringen. Ihre Erzählungen werden in ein Buch einfließen. Einige Texte daraus werden am 6. August in St. Cristina vorgestellt.

Initiiert wurde das Interreg-Projekt von der Region Lombardei, die als einzige Region Italiens seit 2008 immaterielles Kulturerbe über ein eigenes Gesetz schützt. Projektleiterin Renata Meazza vom ethnografischen Museum der Lombardei betonte heute in Bozen, E.CH.I. sei italienweit das einzige strategische Kulturprojekt, das im Rahmen des Interreg-IV-Programms gefördert werde. Insgesamt werden für das Projekt 2,7 Millionen Euro bereitgestellt.