Archäologie

Die Besiedlung der Dolomiten

Ende der Eiszeit: Vor ungefähr 15000 Jahren istder mehrere Kilometer dicke Eispanzer über den Dolomiten bereits geschmolzen, die Gletscher schrumpfen. Verschiedenste Pflanzen und Tiere dringen bis in die höchsten Bergregionen vor; steinzeitliche Jäger setzen ihnen nach.

Dieser ersten wirtschaftlichen Nutzung der Dolomiten folgen unzählige mühevolle Schritte der Besiedlung: Viele hundert Generationen plagen sich mit Rodungs- und Erschließungsarbeit um ein durchgehendes Wege- und Siedlungsnetz zu schaffen. Befestigte Dörfer, hoch gelegene Kultplätze und überregionale Handelsbeziehungen zeugen von ersten organisierten Siedlungsstrukturen.

Auf den Spuren steinzeitlicher Jäger

Ende der Eiszeit: Während mehrerer tausend Jahre verbringen die Jäger den Winter in den Haupttälern. Im Frühjahr ziehen sie in Familienverbänden in die Hochgebirgsregionen über 2000 Meter Seehöhe. Im günstigen Klima der mittleren Steinzeit (9000-4500 v. Chr.) lebt in diesen baumfreien Lagen mehr Wild und ist einfacher zu jagen als in den bewaldeten Tälern.

In geschützten Lagen, vor allem in Passregionen, richten die Menschen nahe der Waldgrenze unter den Vorsprüngen riesiger Felsblöcke Basislager ein. Manche dieser Unterstände aus Ästen und Zweigen bleiben über viele Jahrhunderte in Gebrauch. In den höher gelegenen Jagdgebieten legen die Jäger nur einfache Rast- und Beobachtungsplätze an.

Sotćiastel

Sotćiastel ist eine befestigte Siedlung der Bronzezeit 1600-1250 v.Chr.

Die bronzezeitliche Siedlung nahe dem Hof Sotćiastel liegt auf einer hohen Felskuppe nördlich der Ortschaft Abtei und in der Nähe des alten Verbindungsweges zwischen dem Unteren und Oberen Gadertal. Diese Lage bedeutet für die Bewohner Schutz und zugleich Kontrolle über einen Handelsweg der Dolomiten.

Die kleine Bauernsiedlung erlebt ihre Blütezeit zwischen 1600 und 1400 v. Chr. In dieser Zeit intensivieren die Menschen in den Alpentälern Landwirtschaft und Bergbau, die Dolomitentäler treten verstärkt in überregionale Handelsbeziehungen ein. Der kulturelle Austausch mit den benachbarten Regionen wächst.

Die Räter in Ladinien

Wie lebte die rätische Bevölkerung in den Dolomiten während der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, der Eisenzeit? Ausgrabungen lassen eine bäuerlich geprägte Kultur erkennen, die Kultplätze auf Bergspitzen anlegt und ein Alphabet benutzt, das in der etruskischen Kultur wurzelt.

Das bis heute älteste Schriftdokument in den ladinischen Tälern: eine kleine steinerne Schriftstele, gefunden auf 2100 Metern am Mont de Pore, zwischen Andraz und Col de Santa Lizia. Über die Interpretation der Inschrift dieses Einzelfundes ist man sich noch nicht einig.

Die Romanisierung Ladiniens

Römische Soldaten, Händler, Beamte und Priester bringen vielfältige technische, wirtschaftliche und kulturelle Neuerungen ins Land. An den großen Straßen in den Haupttälern entstehen römische Siedlungen, oder bereits bestehende Siedlungen werden vergrößert: Im Pustertal Sebatum (St. Lorenzen), im Eisacktal Brixen, weiters Pons Drusi (Bozen) oder Tridentum (Trient).

Die Menschen beginnen allmählich ein lokal- sprachlich gefärbtes Volkslatein zu sprechen.

Der römische Einfluß dringt wesentlich langsamer und weniger konsequent  in die Täler der Dolomiten als in die Alpen-Haupttäler.

Für die Romanisierung des Unteren Gadertals ist die Römer-Siedlung Sebatum (St. Lorenzen) im Pustertal ein wichtiger Ausgangspunkt.

Aus den Wirtschaftshöfen der römischen Grundbesitzer - so eine Hypothese - entwickeln sich in der Römerzeit die kleinen Weilersiedlungen, zunächst Vici, dann Viles genannt.

Die Quadra von St. Martin

Im Gebiet von St. Martin führen wenige kaum augenfällige Besonderheiten der Landschaftsarchäologie auf die Spur des römischen Vermessungssystems QUADRA: Der Abstand parallel verlaufender Besitzgrenzen und deren Beziehung zu alten Markierungen und Wegen ergibt ein quadratisches Liniensystem, das auf einem Grundmaß von ungefähr 240 Metern aufbaut. Dieses Maß entspricht einer Einheit, die in römischer Zeit im Gebirge Verwendung fand.

Nach diesem System läge der Schnittpunkt der römischen Hauptvermessungslinien (cardo und decumanus) auf dem Schlosshügel von St. Martin. Demnach hätte man im 13. Jahrhundert den ersten mittelalterlichen Wohnturm, den Gründungsbau von Schloss Thurn, an diesem markanten Punkt errichtet. Zufall oder bewußte Fortführung einer Jahrhunderte alten Tradition? Dieser spannenden Frage widmet sich künftige Forschung.